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Handwerk für Zugewanderte

05.04.2024
Autorin: Ann-Kathrin Raker

Die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg steht mit ihrem Bildungszentrum für die Aus- und Weiterbildung im Handwerk. Seit dem Frühjahr 2023 werden in Kooperation mit der VHS Cloppenburg auch die Grundsteine für Zugewanderte gelegt, die gerne eine berufliche Zukunft im Handwerk beginnen möchten.

Das sieht schon ganz gekonnt aus: In den Kursen haben sich die Teilnehmerinnen und Teilnehmer im Friseurhandwerk auch mit dem Schwerpunkt Flechtfrisuren auseinandergesetzt. 

Der Schritt in ein neues Land kostet viel Kraft und Mut. Die Zuwanderer bauen sich in fremden Ländern nach ihrer Flucht, beispielsweise vor Krieg, ein neues Leben auf. Dazu zählt auch der Schritt zurück ins Berufsleben für Erwachsene oder sogar der Einstieg ins Berufsleben für Jugendliche. Im Rahmen des Projektes „Berufsorientierung für Zugewanderte“ (kurz: BOF) setzt die Kreishandwerker­schaft Cloppenburg an diesem Punkt noch einmal verstärkt ihren Fokus an. Das Projekt wird durch das Bildungsministerium gefördert und beinhaltet insgesamt drei wichtige Lern­­orte, um nicht mehr schulpflichtige Zugwanderte in die Ausbildung oder in eine Einstiegsqualifizierung heranzuführen. 

„Das Handwerk ist einer der wesentlichen Verankerungspunkte von Geflüchteten. Seit jeher zeigt das Handwerk, egal in welcher Region und in welcher Art, dass Geflüchtete bei uns gut aufgenommen und integriert werden“, erklärt Dennis Makselon, Geschäftsführer der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg, der das BOF-Projekt als Erfolgsmodell sieht. Der erste Durchlauf des Projektes startete im Frühjahr 2023 in Cloppenburg und wurde sofort gut angenommen. Mit einer so starken Resonanz hatten die Kooperationspartner nicht gerechnet. Insgesamt elf Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus unterschiedlichen Herkunftsländern haben das Programm absolviert. 

Die Akquise übernahm hierbei die VHS Cloppenburg, die als Kooperationspartner gemeinsam mit der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg das Projekt durchführt. Die Ansprache der potenziellen Teilnehmenden erfolgte über die bereits laufenden Sprachkurse der VHS. Schnell wurde eine Gruppe junger Nachwuchskräfte zusammengestellt, die Lust und Engagement einbrachten und so einen großartigen Zusammenhalt untereinander entwickelten aber auch den ersten Startschuss als Erfolg verbuchen lassen. 

Zu einem Team zusammengewachsen: Die sprachlichen Barrieren und die unterschiedlichen Herkunftsländer haben dem Zusammenhalt keinen Abbruch getan.

Während des Projektzeitraumes von insgesamt 13 Wochen ist das Zusammenspiel der verschiedenen Lernkomponenten der Grundstein. Neben den ersten praktischen Erfahrungen in den Lehrwerkstätten der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg spielt der (fach-)sprachliche Aspekt eine wesentliche Rolle. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des Projektes werden hierbei durch die VHS Cloppenburg sprachlich ausgebildet. Der Fokus liegt nicht nur allgemein auf dem Sprachniveau, sondern es wird auch auf die Fachsprache des jeweiligen Berufes eingegangen. 

Dennis Makselon ist stolz auf die gute Zusammenarbeit: „Wir sehen in dem Projekt eine starke Zukunft mit guten Erfolgsaussichten – nicht nur für die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, sondern auch für die Handwerksbetriebe. Daher schätzen wir uns sehr glücklich, dass diese Erfolge durch die gute Zusammenarbeit und die perfekte Abstimmung zwischen den handwerklichen Praxiserfahrungen in unserem Hause und den sprachlichen Komponenten in der VHS abgedeckt werden.“ 

Die Ausbildungsmeisterinnen und -meister in den Lehrwerkstätten der Kreishandwerkerschaft merken den Erfolg in den Sprachkursen deutlich. Durchweg positive Rückmeldungen über das Engagement der Teilnehmenden aber auch über die gute sprachliche Verständigung bringen Spaß und Erfolg in das Projekt. Die Praxis- und Sprachphase beinhaltet insgesamt neun Wochen. Die Teilnehmenden besuchen an drei Tagen in der Woche das Bildungszentrum der Kreishandwerkerschaft, um erste praktische Erfahrungen sammeln zu können. An den zwei anderen Wochen­tagen werden die Sprachkenntnisse in der VHS Cloppenburg erweitert. 

Handwerk muss erlebt werden – das gilt auch für BOF. Einige der Teilnehmenden waren bereits in ihrem Herkunftsland im Handwerk tätig und konnten erste Erfahrungen einbringen. Andere wiederum nutzen die Chance, um sich beruflich neu zu verwirklichen und ihren Träumen nachzugehen. 

Um das Erlernte auch im realen Arbeitsleben unter Beweis stellen zu können, schließt die Projektphase mit einem vierwöchigen Praktikum in einem Betrieb aus der Region ab. Die Suche nach einem Platz dafür haben die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg und die VHS Cloppenburg durch direkte Vermittlungen unterstützt. Auf die Onlineumfrage an die Innungsbetriebe erhielt die Kreishandwerkerschaft eine schnelle und positive Rücklaufquote, die den Teilnehmenden zugutekam. 

Zahra Ibrahimi aus Afghanistan und Nataliia Porada aus der Ukraine haben sich für das Projekt auf Anhieb begeistert und mit Erfolg abgeschlossen: Zahra berichtet stolz über ihren aktuellen Werdegang und ihre Zukunftswünsche: „In Afghanistan habe ich bereits als Friseurin gearbeitet und möchte in Deutschland auch gerne in diesem Beruf weiterarbeiten. Durch diesen Kurs wird mir ermöglicht, meinem Traum ein Stück näher zu kommen.“ 

Nataliia hat BOF genutzt, um sich beruflich neu zu entfalten und für sich den Traumberuf der Podologin gefunden. Sie absolvierte ihr Praktikum in einem der lokalen Betriebe und ist seit dem Sommer 2023 an der Fachschule für Podologie in Quakenbrück eingeschrieben, um dort die Ausbildung zu durchlaufen.

Während der Praxisphase in den Lehrwerkstätten konnten die Teilnehmenden zwischen verschiedenen Gewerken wählen. Zur Auswahl stand das Metallhandwerk, das Friseur handwerk sowie der Bereich der Verwaltung. Der Erfolg spiegelt sich aber nicht nur in der Kreishandwerkerschaft Cloppenburg und der VHS Cloppenburg wider, sondern auch in dem dritten und vorerst abschließendem Projektabschnitt, dem Praktikum in den Handwerksbetrieben. 

„Wir haben nach einer Umfrage in unseren Innungsbetrieben einen positiven Rücklauf erhalten, sodass wir alle Teilnehmenden auch das verpflichtende Praktikum ermöglichen konnten. Darauf können wir stolz sein“, berichtet Dennis Makselon weiter. Begeistert ist auch Christian Tierling. Der Tischlermeister hat Yurii Lysenko ein Praktikum als Tischler in seinem Betrieb in Molbergen ermöglicht. Bereits nach wenigen Tagen stand für beide fest: es wird ein Ausbildungsverhältnis ermöglicht! 

Bereits im Spätsommer 2023 startete der zweite Durchgang mit insgesamt neun Teilnehmenden, die das Friseurhandwerk und den Bereich der Verwaltung kennenlernen. Aufgrund der durchweg positiven Rückmeldungen und Erfolge der Teilnehmenden, der Meisterinnen und Meister und der Betriebe sieht die Kreishandwerkerschaft Cloppenburg das Projekt als Erfolgsmodell an und möchte es gerne langfristig in die Berufs­orientierung des Hauses etablieren. „Im Handwerk ist es egal, wo du herkommst, wichtig ist nur, wo du hinwillst. Durch die über 130 Ausbildungsberufe im Handwerk kann sich jeder seine eigene Karriereleiter bauen“, erklärt Dennis Makselon hoffnungsvoll. 

Das Cloppenburger Handwerk spiegelt wider, dass die Zuwanderung ein wichtiger Mosaikstein ist, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken. Um dieses Ziel zu erreichen, wird auch gezielt die Politik angesprochen. Denn die Ausbildung von jungen Nachwuchskräften beinhaltet einen starken Kosten- und Zeitfaktor. Geflüchtete, die ihre Ausbildung im Handwerk erfolgreich bestanden haben, sollten durch die Politik mehr Möglichkeiten erhalten. 

Die Kreishandwerkerschaft betont klar, dass eine Duldung, die befristet auf zwei Jahre nach der Ausbildung ausgestellt wird, nicht ausreicht, um den Fachkräftemangel zu besiegen und auch ein Rückschlag ist – sowohl für die Auszubildenden als auch für die Ausbildungsbetriebe. 

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