Maschinen- und Anlagenbau

Zuverlässigkeit made in Lohne

09.02.2023
Autor: Stefan Freiwald

Vermutlich sind viele Flaschen, Tiegel, Dosen und Gläser, die die Europäerinnen und Europäer tagtäglich in den Händen halten, vorher durch eine Tölke-Maschine gelaufen. Das Unternehmen baut in Lohne seit fast 60 Jahren Spezialmaschinen für die Konsumgüterindustrie. Dabei geht es damals wie heute um altmodische Tugenden und den Willen, Neues zu schaffen.

Für den Sondermaschinenbau werden absolute Fachleute gebraucht. Tölke bildet sie meistens selbst aus.

Zuverlässigkeit ist so eine „altmodische“ Tugend, die man in dem Lohner Maschinenbau-Unternehmens schätzt – von der Geschäftsführung bis zum Monteur im fernen Einsatz. Doch das Berufen auf alte Traditionen und jahrelang erarbeitetes Fachwissen, ist nicht viel wert, ist es nicht gepaart mit dem immer wachen Drang nach Verbesserung und Innovation. Schließlich spielt man bei Tölke auf Weltniveau. Das ist es, was die Kunden von den Tölke-Maschinen erwarten. Sie müssen maßgeschneiderte Lösungen sein, vorher ungelöste Probleme lösen, funktionieren, dauernd, schnell, unkompliziert und lange. Das ist eine anspruchsvolle Aufgabe. „Tölke works“ lautet aus gutem Grund die Devise des mittelständischen Unternehmens, das weltweit für große Konzerne Spezialmaschinen für die Konsumgüterindustrie produziert.

Die Sondermaschinen füllen in Sekundenschnelle präzise Shampoo in Flaschen, Klebstoff in Tuben und vieles mehr. Sie sortieren Schraubverschlüsse, sie stellen Gefäße zum Befüllen auf, sie kleben Etiketten, sie füllen Stopfen in die Toilettenpapierrolle und vieles mehr – tausendfach am Tag nach den Anforderungen der industriellen Produktion. Alles erdacht, geplant und gebaut in Lohne. Vermutlich sind viele Flaschen, Tiegel, Dosen und Gläser, die die Europäerinnen und Europäer tagtäglich in den Händen halten, vorher durch eine Tölke-Maschine gelaufen. Sie wurden sortiert, gedreht, gewendet, gefüllt und verschlossen – und das innerhalb nur weniger Sekunden. Millionenfach.

Ab aufs Laufband: Die meisten Sondermaschinen von Tölke dienen in der Produktion zum Abfüllen, Sortieren oder Aufstellen.

Einzigartige Maschinen für alltägliche Produkte

Die Produkte, die die industriellen Tölke-Kunden herstellen, sind alltäglich. Und die dazu benötigten Maschinen sind Einzelanfertigungen, speziell für die zu erfüllende Aufgabe. „Wir bauen so gut wie keine Maschine doppelt“, weiß Christian Tölke, der zusammen mit Franz-Josef Patzelt und Hubert Kröger das Traditionsunternehmen führt. Weil der Trend bei den Herstellern seit Jahren zu einzigartigen Verpackungen geht, müssen auch die Maschinen immer neue, innovativere Aufgaben erfüllen. „Die Maschinen müssen sich den Verpackungen anpassen und flexibel umrüstbar sein“, sagt der Geschäftsführer.

Daher baut das Unternehmen die Maschinen nicht nur, sondern konstruiert sie auch von der ersten Idee an. Es werden Prototypen gebaut, die in den Hallen in Lohne ausgiebig getestet werden. Beispiel: Wenn eine Maschine eine Flasche befüllt, darf nichts spritzen. Deswegen haben die Entwickler des Sondermaschinen-Herstellers das System AnyCurve erfunden. Es sorgt beim efüllen einer Flasche dafür, dass nichts schäumt oder überläuft. Egal wie hoch der Füllstand ist: Die Maschine spritzt die Flüssigkeit immer aus der gleichen Entfernung ein. „Das erspart den Abfüllern lästiges Putzen“, erklärt Tölke den größten Vorteil des Systems.

Es muss immer funktionieren. Jede Minute Stillstand koste ein Industrieunternehmen viel Geld, gibt Tölke zu bedenken. Daher sei Zuverlässigkeit so wichtig. Doch für zuverlässige Maschinen benötigt man ebenso zuverlässige Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter, die diese Maschinen bauen. Jede und jeder, der bei Tölke anfängt, bekennt sich zum firmeneigenen Verhaltenskodex Tölke High-Five, in dem es unter anderen heißt: „Meine Kolleginnen und Kollegen, meine Vorgesetzten, unsere Kunden und alle anderen, die mit unserem Unternehmen zu tun haben, können sich auf mich verlassen. Ich mache das, was von mir erwartet wird: gründlich, vernünftig, zügig.“

Luftaufnahme: Blick von oben. Seit rund 60 Jahren ist das Unternehmen in Lohne zu Hause, seit einigen Jahren am Standort Fladderweg.

Von der Ausbildung bis zur Rente

„Lerne von den Besten und sei damit gerüstet für die berufliche Zukunft“: Mechanikerinnen und Mechaniker der Fachrichtungen Feinwerk, Zerspanungsmechanikerinnen und -mechaniker, Elektronikerinnen und Elektroniker, Programmiererinnen und Programmierer sowie Produktdesignerinnen und -designer seien im OM nicht so leicht zu finden, räumt der Inhaber ein. Deswegen bildet das Unternehmen sie von Anfang an selbst aus. Das ist gut für Tölke, das ist gut für die berufliche Zukunft des Lehrlings. Mehr als 120 junge Auszubildende hat Tölke in seiner fast 60-jährigen Geschichte eingestellt. Denn bestens geschultes Personal ist das höchste Gut des Lohner Unternehmens. „Die meisten haben wir übernommen“, sagt der Inhaber. „Viele sind bis ins Rentenalter bei uns geblieben.“ Tölkes Mitarbeitende wissen, was sie an ihrem Arbeitgeber haben. Zuverlässigkeit ist eben keine Einbahnstraße. „Nur zusammen können wir es schaffen, dass eine Maschine einwandfrei funktioniert“, so Christian Tölke. Bis es allerdings so weit ist, muss das gesamte Team immer wieder an Verbesserungen tüfteln.

So ging es schon dem Firmengründer. Andere hätten sich mit 65 Jahren längst auf die Rente gefreut, der Maschinenbauingenieur Franz Tölke gründete in diesem Alter eine Firma. Das war im Jahr 1965. Lohne galt seinerzeit als das Herz der Korkindustrie. Franz Tölke war damals der erste, der eine Maschine herstellte, mit der Korken für Sektmarken wie Henkel und Kupferberg oder Weinbrand von Asbach vollautomatisch produziert und später auch bedruckt werden konnten. Nur zwei Jahre nach der Firmengründung starb Franz Tölke jedoch plötzlich und unerwartet. Franz-Josef Tölke zählte erst 26 junge Jahre, als er durch den Tod des Vaters unverhofft den Geschäftsführersessel im noch jungen Unternehmen einnahm. Er war kein Techniker wie sein Vater, sondern Kaufmann. Doch schnell arbeitete er sich in die technischen Finessen des Sondermaschinenbaus ein und wurde genauso zum Tüftler.

Der junge Geschäftsführer machte das Unternehmen groß und führte es nach dem Ende der Korkindustrie ins Kunststoffzeitalter. Seit den 1970er Jahren produzierte Tölke mehr und mehr Maschinen für die Kosmetik und die Lebensmittelindustrie. Statt Asbach und Kupferberg stand jetzt Nivea und Schauma auf den Etiketten.

Blick in die Montagehalle: Bei manchen Maschinen müssen die Mechaniker auf Gerüste steigen, um sie zusammenzusetzen.

Tölke-Maschinen auf allen Kontinenten

Als der Sohn des Gründers 2001 starb, beschäftigte das Unternehmen mehr als 50 Mitarbeitende und belieferte Kunden auf der ganzen Welt. Seither wird die Geschäftsführung durch Franz-Josef Patzelt, Hubert Kröger und Christian Tölke wahrgenommen. Heute stehen Tölke-Maschinen auf allen Kontinenten der Erde. Und vor allem die Einführung digitaler Steuerungssysteme beschäftigt die dritte Generation des Unternehmens. So werden die Maschinen flexibler, schneller umrüstbar aber auch komplexer. Hatte die erste Korkenrundschneidemaschine noch eine vom Chef persönlich auf drei Seiten handschriftlich verfasste Gebrauchsanweisung, sind die heutigen Betriebsanleitungen bis zu tausend Seiten dick. Doch bei allen Unterschieden zu früher gilt heute noch genauso als oberste Prämisse die alte Tugend: Zuverlässigkeit. Tölke works.

Vor allem die Einführung digitaler Steuerungssysteme beschäftigt die dritte Generation des Unternehmens.  So werden die Maschinen präziser, flexibler und schneller umrüstbar – aber auch komplexer.