Innovationspreis des Oldenburger Münsterlandes 2019

Tierklinik Lüsche

Die Tierklinik Lüsche zählt zu den angesehensten tiermedizinischen Einrichtungen Europas. Für die Entwicklung eines Computertomografen, der die Narkotisierung verletzter Pferde vermeidbar macht, wird sie mit dem Innovationspreis des Oldenburger Münsterlandes ausgezeichnet.

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„Wenn Sie nicht die Nummer eins sind, müssen sie innovativ sein", hat der amerikanische Automobil-Manager Lee Iacocca einmal gesagt. Und wenn man es an die Spitze geschafft hat? Dann gilt es erst recht nachzulegen, denn sonst ist die Top-Platzierung schnell wieder weg.

Solche Überlegungen sind an der Tierklinik Lüsche nicht unbekannt. 2001 gegründet, hat sie sich längst einen exzellenten Ruf erarbeitet, besonders unter Pferdebesitzern. „Aber wir dürfen uns auf unserem Ruhm nicht ausruhen", sagt Dr. Tim Steinberg, seit 2009 einer von fünf Partnern, die die Klinik leiten. Neben ihm gehören die Tiermediziner Dr. Marc Koene, Dr. Jan-Hein Swagemakers, Dr. Niklas Drumm und Julius Wegert zum Team. Dazu kommen rund 100 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in zehn Fachbereichen.

Ein Schlaflabor für Pferde

Neben den fachlichen Qualitäten liege eines der Erfolgsgeheimnisse der Klinik in dem Bestreben, sich ständig weiterzuentwickeln, erklärt Steinberg. „So lange wir noch nicht den gleichen Stand wie die Humanmedizin haben, arbeiten wir an Verbesserungen." Das betrifft sowohl die Fachkenntnis und Kompetenz der Beschäftigten, als auch die baulichen Voraussetzungen der Praxis und die tiermedizinischen Gerätschaften.

So eröffnete die Tierklinik im Frühjahr 2019 das deutschlandweit erste Schlaflabor für Pferde. Wie Menschen können auch sie unter neuronal bedingten Störungen der Schlaf-Wach-Regulation leiden. Im Stehen verfallen die Fluchttiere in einen nur wenige Minuten dauernden Dämmerschlaf. Die erholsameren, etwa dreistündigen Tiefschlafphasen können hingegen nur liegend, also bei völliger Entspannung, erfolgen.

Ortswechsel oder ein zu hoher Geräuschpegel im Stall haben möglicherweise zur Folge, dass lärmempfindliche Pferde sich in ihrer Box nicht mehr ablegen und mehr und mehr unter Schlafmangel leiden. Im Schlaflabor werden Herzschlag, Hirnströme und Muskeltonus gezielt überwacht, um daraus die notwendigen Maßnahmen abzuleiten und dem Tier seine lebenswichtigen Ruhephasen zurückzugeben.

Untersuchung ohne Risiko

Der jüngste Coup ist eine Weltinnovation: In Kooperation mit zwei weiteren Unternehmen wurde in jahrelanger Arbeit in Lüsche ein Computertomograf (CT) entwickelt, der Untersuchungen von Kopf, Hals und Gliedmaßen am stehenden Pferd ermöglicht. Damit lässt sich die Vollnarkose des vierbeinigen Patienten vermeiden. Für Besitzer sei es oft wesentlich leichter, eine Entscheidung über notwendige Untersuchungen zu treffen, wenn keine Vollnarkose vorgenommen wird, erläutert Steinberg.

Grundsätzlich stellt nämlich jede Narkotisierung ein gesundheitliches Risiko dar. So kann es in seltenen Fällen zu lebensbedrohlichen Situationen wie etwa einem Herzkreislaufversagen kommen. Auch bei der Narkoseeinleitung und in der Aufstehphase sind durch die fehlende Koordination Probleme nicht ausgeschlossen.

Das am 1. April 2019 offiziell zugelassene Gerät komplettiert die Abteilung der bildgebenden Verfahren, zu der auch Kernspintomographie und Szintigraphie gehören. Gleich in den ersten vier Wochen nach der Inbetriebnahme wurden 15 Pferde im neuen CT untersucht. Er ist auf einem doppelten Hebebühnensystem mit einem höhenverstellbaren Schienensystem installiert. Zum Einbau musste in einem Raum eigens eine zwei Meter tiefe Grube ausgehoben werden. Die Entwicklungskosten lagen bei rund 800.000 Euro – gerechnet noch ohne notwendige bauliche Veränderungen für den Strahlenschutz.

Gefragt als Experten

Kopf, Hufe und Beine des Pferdes lassen sich nun im Stehen scannen. Dabei fährt der CT über den Patienten und nicht mehr umgekehrt, der Patient durch die Röhre. Das Tier muss nur wenige Sekunden stillhalten und gerät nicht unnötig in Stress. Der ganze Vorgang dauert lediglich wenige Minuten, bei einer herkömmlichen Vollnarkose müssen eine oder zwei Stunden einkalkuliert werden.

Das Verfahren erlaubt hochwertige 3D-Rekonstruktionen sowohl der Knochen- als auch der Weichteilstrukturen und erleichtert die Operationsplanung erheblich. Zudem, so ergänzt Dr. Steinberg, „weist unser CT die größte Röhre und das größte Sichtfeld in der Medizin auf". Damit lassen sich auch bisher kaum zugängliche Regionen wie Knie, erste Brustwirbel, Ellenbogen und Schulter durchchecken. Auch eine ambulante Untersuchung ist möglich, die Pferde müssen anschließend nicht in der Klinik verbleiben.

Eine Innovation erzielt stets dann nachhaltig Wirkung, wenn sie über den Kreis ihrer Entwickler hinaus beständig für Aufmerksamkeit sorgt. Dieser Schritt ist bereits erfolgt. Mittlerweile gibt es weitere Tierkliniken, die den Computertomografen aus Lüsche einsetzen. Darüber hinaus sind Tim Steinberg und seine Kollegen häufig als Experten unterwegs, um die Vorteile des Systems zu erläutern.

Schließlich weist der Spezialist für Orthopädie, Chirurgie und Pferdezahnheilkunde noch auf einen weiteren, besonders erfreulichen Effekt hin: „Unsere Entwicklung hebt die Tierklinik Lüsche auf dem Arbeitsmarkt hervor und dient damit dem Ausbau des Netzwerks. Fast täglich erreichen uns Bewerbungen von international hochqualifizierten Tierärzten." So dürfte der gute Ruf des Hauses auch in den kommenden Jahren gewährleistet sein.