Mikrohotel in Löningen

7,5 Quadratmeter Ruhe

Bis zu 120.000 Kraftfahrer:innen am Tag benötigen eine Übernachtungsmöglichkeit. Mit dem EU-Mobilitätspaket sind die Anforderungen an die Pausenqualität von Berufskraftfahrenden gestiegen. Das Düsseldorfer Start-up Roatel will die Lücke flächendeckend schließen – mit Mikrohotels „Made in Löningen". Der dortige Showcase-Standort hat mit wichtigen Erkenntnissen über die Zielgruppe überrascht.

„Die Container sind gut isoliert und generell super ausgestattet. War eine sehr erholsame Nacht", schreibt Nutzer Jürgen Silbervogel auf der Touristikwebsite TripAdvisor. Geschlafen hat er in einem siebeneinhalb Quadratmeter großen Mini-Apartment direkt an der Autobahn – in einem Roatel. Je vier Zimmer passen nach der Dämmung in einen 45-Fuß-High-Cube Seecontainer. Sie sind wertig ausgebaut, mit Einzelbett, Dusche, WC, Fernseher, elektrischen Rollläden, Klimaanlage und Heizung. Wifi und internationale TV-Sender inklusive. Durch die Deckenhöhe von 2,5 Metern wirken die Zimmer trotzdem nicht beengt. Die Buchung erfolgt online, der Check-in funktioniert rund um die Uhr kontaktlos mit dem Mobiltelefon, bei Fragen gibt es eine Hotline.

Löninger Know-how

Hinter Roatel stecken die erfahrenen Gründer Ralf-Peter Kals, Martin Swart und Christian Theisen. Mit seiner Marktneuheit zwischen Motel, Hotel und Tiny House will das Düsseldorfer Start-up den Spagat zwischen Komfort und günstigstem Preis-Leistungs-Verhältnis an der Autobahn schaffen. Das Ziel: ein flächendeckendes Hotelnetz in Deutschland und Europa.
Dass ihr Pilotstandort nicht an einer Autobahn in Nordrhein-Westfalen, sondern an der B 213 in Löningen liegt, hat praktische Gründe. Denn direkt daneben werden die Container zu Mikrohotels umgerüstet. Peter Imbusch, unter anderem für individuelle Systemmöbel bekannt, ist als Partner des Start-ups im Boot. In der eigens dafür errichteten Produktionshalle können bis zu 15 Roatels im Monat ausgebaut werden.

Von Beginn an gut besucht

„Das erste Roatel wurde an diesem Standort tatsächlich zunächst als Showcase und zu Testzwecken aufgestellt. Dort probieren wir Produktverbesserungen aus", erklärt Geschäftsführer und Gründer Christian Theisen. Und meint damit nicht nur den Container selbst, sondern auch die umfangreiche Software für den Buchungsprozess und Check-in. „Interessanterweise ist das Roatel von Anfang an sehr gut besucht, obwohl hier kein klassischer Trucker-Standort ist. Dadurch haben wir gelernt, dass unsere Kunden aktuell zu 80 Prozent ganz normale Gäste sind, Geschäftsreisende, Handwerker, aber auch privat Reisende. Regional bedingt kehren auch immer wieder Pferdesportler und Radfahrer bei uns ein." Etwa 70 Prozent der Gäste sind aktuell Deutsche, gefolgt von Niederländern und Polen. Die Zielgruppe ist so international wie der Kraftverkehr, die Buchungsplattform ist mehrsprachig. Bis Ende 2023 plant Roatel rund 50 Container aufgestellt zu haben.

„Interessanterweise ist das Roatel von Anfang an sehr gut besucht, obwohl hier kein klassischer Trucker-Standort ist."
Christian Theisen

Win-win-Geschäftsprinzip

Die Mikrohotels betreibt das Unternehmen selbst. Die Partner – etwa Raststätten oder Autohöfe – stellen einen Teil ihres Grundstücks zur Verfügung. „Sie erhalten dafür eine fixe und umsatzabhängige Pacht", erklärt Theisen. „Entsprechende Versorgungsleitungen müssen vorhanden sein. Die Kosten dafür trägt in der Regel der Eigentümer des Grundstücks. Die Befestigung und Pflasterung übernimmt Roatel." Das Start-up kümmert sich auch um Reinigung und Instandhaltung, betreibt die Buchungsplattform und Marketingaktivitäten. „Der Standortpartner hat damit nichts zu tun, möchte es in der Regel auch gar nicht." Eine Win-win-Situation, denn die Standorte werden durch die Mikrohotels attraktiver und ziehen neues Publikum an. Und wenn es gut läuft, kann durch die modulare Bauweise leicht skaliert werden.

EU schreibt Ruhezeiten vor

Und die Nachfrage stimmt. Nicht zuletzt durch das EU-Mobilitätspaket. Es schreibt eine durchgehende wöchentliche Ruhezeit von 45 Stunden für Lkw-Fahrer:innen vor. Der Zusatz „mit geeigneter Schlafmöglichkeiten außerhalb des Fahrzeugs" stellt die Speditionen vor Herausforderungen. Schon lange fehlen Stell- und Übernachtungsplätze an den Autobahnen. Jeder Kilometer abseits kostet Zeit und Geld. Noch bevor die neue Verordnung verabschiedet wurde, hatten die Roatel-Gründer 2019 den Mut, in ihre Geschäftsidee zu investieren und holten Partner an Bord. Und so haben heute alle, die getreu dem Slogan „Ausgeschlafen an der Autobahn" in einem Roatel aufwachen, auch in einem Stück Löningen übernachtet.