Gartenkultur

Es grünt so bunt

05.08.2020
Autor*in: DETLEF HERWIG

Natürlich ist er längst in Rente. Aber Antonius Bösterling, inzwischen 81 Jahre alt, ist gefragter denn je. Hier ein Seminar, da eine Führung, dort ein Vortrag. „Immer unterwegs" sei er, sagt seine Frau Rita und lächelt. Bösterling ist Landschafts- und Gartenarchitekt, ein Planer von Rang und Namen. Und obwohl er schon viele Male Referent auf Gartenkreuzfahrten an Bord der MS Deutschland war, gilt seine Vorliebe doch der Region.

BLÜTENPRACHT Wie hier im Garten Bruns in Goldenstedt zeigen sich die Gärten der Region von ihrer besten Seite.

Fragt man Antonius Bösterling nach der Bedeutung von Gärten, landet er schnell bei der Formulierung von den „grünen Oasen". Sie sind für ihn zugleich Rückzugsort und Auftankstelle – und immer auch Sinnbild der heimischen Lebenskultur. Im Oldenburger Münsterland etwa sei man über Jahrhunderte Selbstversorger gewesen. Gärten dienten in erster Linie der Ernährung ihrer Besitzer, verschiedene Kohlarten und Kartoffeln wurden angebaut. Später fand hier zunehmend auch robustes Ziergehölz Platz. Gelegentlich allerdings, so berichtet der Experte, lief der Wunsch nach einer repräsentativen Anlage dabei arg aus dem Ruder: „Anfang des 20. Jahrhunderts haben sich etliche Gartenbesitzer finanziell vollkommen übernommen."

Keine Grünanlage gibt sich so widersprüchlich wie der Bauerngarten.

Eine streng geometrische Struktur hier, chaotisch anmutende Üppigkeit da: Keine andere Grünanlage gibt sich so widersprüchlich wie der Bauerngarten. Klassisch ist die rechteckige Form mit zwei sich in der Mitte kreuzenden, von Rindenmulch bedeckten Wegen. Sie teilen das Areal in vier gleich große Bereiche. Von niedrigen Hecken aus geschnittenen Kräutern wie Lavendel, Thymian und Oregano umrahmt, gehen Gemüsebeete, Obstbäume und Sträucher mit Strauchrosen und Stauden eine harmonische Verbindung ein. Wichtigstes Element ist der Buchsbaum, der alle Beete sauber einfasst und die Pflanzen voneinander trennt. Vorbild sind traditionelle Klostergärten, in denen die Beete mit Buchs streng formal angeordnet waren.

GARTENIDYLL Antonius und Rita Bösterling auf einem ihrer Lieblingsplätze.

Ein herausragendes Beispiel fanden Liebhaber lange Jahre mit dem Garten der Familie Mährlein in Dinklage. Blickfang waren hier zwar die weit über 100 Jahre alten Rhododendren, doch auch der hinter einer Weißdornhecke gelegene Bauerngarten konnte sich sehen lassen. Die Anlage namens „Die Uchte" steht heutzutage leider nicht mehr zur Besichtigung offen.

Anders ist es bei zwei weiteren Prachtgärten, auf die Antonius Bösterling verweist und zu denen sich ein Abstecher lohnt: Zum einen ist das der Taxusgarten von Familie Meyer zu Nutteln in Cappeln. „Der ist norddeutschlandweit einmalig", weiß der Fachmann. Vor allem die unzähligen kunstvoll geschnittenen Eibengehölze verdienen Aufmerksamkeit. An der fernöstlichen Lebensart orientiert sich Tipp Nummer zwei: der Japanische Garten von Josef und Maria Meyer in Mühlen. Nachgebildet werden hier ganze Landschaften. So gibt es ebenso einen Moos- wie einen Tee- oder einen Tempelgarten.

KUNST IM BEET Skulpturen geben jedem Garten zusätzliche Tiefe.

Weitere private und öffentliche Anlagen sind Teil der sogenannten „Visitentouren", zu denen die Erholungsgebiete Dammer Berge und Thülsfelder Talsperre sowie die Ausflugsregion Nordkreis Vechta jährlich einladen. Insgesamt stehen mehr als 40 Gärten auf der Liste. Sie alle wurden von Elke Schwender vom Museumsdorf Cloppenburg nach den Richtlinien der „Deutschen Gesellschaft für Gartenkunst und Landschaftskultur" geprüft und bewertet.

Zurück zu Antonius Bösterling. Das ­Zentrum seines Atriumgartens inmitten eines Wohngebiets in Cloppenburg bildet eine Wasserstelle, um die herum sich großflächig die unterschiedlichsten Facetten grünen Lebens angesiedelt haben: Bodendecker wie die Waldsteinia und die Elfenblume, Carexgräser und Farne, Salomonssiegel und Märzbecher. Am Rand stehen mächtige Drehkiefern, eine Vogelbeere, Hainbuchen und Eichen. Darunter befindet sich der Lieblingsplatz der Bösterlings: „Hier zu sitzen, das bedeutet uns Lebensqualität!".

FINGERZEIG Antonius Bösterling macht deutlich, dass auch ein Garten mitten in der Stadt viel Freude bereiten kann.

Aber wirklich komplett und zum Unikat wird dieser Garten erst durch seine liebevollen Details. Da schmiegt sich ein abgewetzter Schleifstein dekorativ an seinen großen, offenbar nur wenig genutzten Bruder. Da ragt eine alte Sandsteinstele aus dem Boden hervor, eine Putte hat ein schattiges Plätzchen gefunden, Skulpturen trotzen dem Wind.

Das Beste: Zu jedem Accessoire kann Antonius Bösterling eine kleine Geschichte erzählen. Das Leben im Garten, das Leben mit dem Garten und das Leben für den Garten – all das hält offenbar jung und trainiert Gedächtnis und Fantasie. Die nächsten Seminare, Vorträge und Workshops können kommen.

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